Vorbemerkung
2010 haben wir unser freistehendes 220m2 großes Einfamilienhaus in Wuppertal mit fünf Personen bezogen. Die konkreten Planungen dazu begannen 2009; dabei standen Energieeffizienz und Ressourcen schonender Betrieb schon früh im Fokus.
Das Konzept der Passivhäuser konnte nur teilweise überzeugen und den Begriff empfinde ich als kontraproduktiv. Es klingt nach Verzicht, Anpassung und Minimalismus. Sicher gibt es Leute, die sich nur durch den Namen haben abschrecken lassen.
Unter optimalen Bedingungen benötigt ein Passivhaus während der Heizperiode so wenig Heizenergie, dass diese zum großen Teil passiv gedeckt werden kann, daher der Name. Abwärme elektrischer Verbraucher, die Abwärme der Bewohner, solare Erträge über die Fensterflächen und Wärmerückgewinnung aus der Abluft gehen in die Heizlastberechnung mit ein. Der verbleibende Rest kann über kleine Zuheizer oder Luft-Luft-Wärmepumpen in den Lüftungsanlagen über die Zuluft eingebracht werden. (siehe „Was ist ein Passivhaus?“)
Ein Passivhaus braucht keine konventionelle Heizung! Der Wärmebedarf liegt bei 15kWh/m2 pro Jahr bzw. maximal 10 Watt/m2 Heizlast – wenn alles gut läuft und die Bewohner diszipliniert sind…
Obwohl es in der Realität oft anders kommt haben wir uns dennoch für ein Passivhauskonzept entschieden. Mit Anpassungen…
Passiv oder Aktiv? Unser Haus hat eine (normale) Heizung bekommen.
Überzeugend am Passivhauskonzept finde ich die energetisch gut isolierte Außenhülle inkl. top Fenster, die Luftdichtheit in Kombination mit einer Lüftungsanlage + Wärmerückgewinnung (KWL = kontrollierte Wohnraumlüftung). Das alleine verspricht Energieeffizienz und Ressourcenschonung im laufenden Betrieb. Natürlich sind Kälte- bzw. Wärmebrücken zu vermeiden.
Im Vorfeld haben wir die komplette Berechnung unseres Hauses nach PHPP 2007 (Passivhaus Projektierungs Paket) nachvollzogen und erkannt, dass durch Spielen an den zahlreichen Parametern sehr große Unterschiede in der theoretischen Energiebilanz zu erreichen waren. Mit anderen Worten: Man kann sich sein Passivhaus „schön rechnen“. Vermutlich wird genau das von Planern und Hausanbietern auch gemacht. Nur so lassen sich in Kombination mit abweichendem Nutzerverhalten die zum Teil großen Diskrepanzen zwischen Soll und Ist im Energieverbrauch bei Passivhäusern erklären.
Nun, die Westseite unseres Hauses ist bewaldet und das gesamte Haus ist von Anfang an mit LED Licht erhellt worden. Zweifelhafter solarer Ertrag in Wuppertal und speziell an unserem Standort sowie die fehlende Abwärme von Glühlampen ließen uns die rechnerischen Passivhausziele in einigen Punkten verfehlen.
Auch habe ich nicht mit 20 Grad Raumtemperatur gerechnet. Unsere Komforttemperatur liegt eher bei 21-22 Grad Celsius. Allein dadurch erhöht sich der Wärmebedarf des Hauses um ca. 10%.
Eine Zertifizierung des Hauses haben wir uns daher gespart. Allerdings sind die verbauten Komponenten von Herstellerseite zertifiziert bzw. nach Empfehlung des Passivhaus Institutes ausgeführt worden.
Da meine Familie auch im Winter gerne mal bei gekipptem Fenster schläft und die drei Kinder länger die Haustüre offen lassen, verbot sich aus meiner Sicht ein fauler oder zumindest auf Kante gerechneter Kompromiss bei der Heiztechnik. Eine reine Zuheizung über die KWL kam jedenfalls nicht in Frage.
Das Haus musste aktiv werden ohne den Weg der Energieffizienz zu verlassen.
Das Konzept im Einzelnen
- Keller:
kein Keller, nur Bodenplatte. Bei einem gut gedämmten Haus sollte der Keller mit in die thermische Hülle einbezogen werden. Ein Dämmen nur der Kellerdecke ist problematisch. Aus Kostengründen haben wir auf einen Keller verzichtet und über der Erde etwas größer gebaut.
- Wandaufbau / Decken:
Holzständerwerk und anderer Leichtbau ist mir suspekt. Natürlich kann man jede Wand durch entsprechende Maßnahmen passivhaustauglich ausführen. Aber oft ist die ausreichende Luftdichtheit nur durch entsprechende Dampfsperren zu erreichen und wenn dort in der Ausführung geschlampt wird drohen Folgeschäden. Der große Vorteil von massiven Komponenten ist die Wärmespeicherfähigkeit. Im Sommer bleibt es im Haus länger kühl und im Winter länger warm, auch bei extremem Frost.Die 2009 zur Verfügung stehenden Ziegel mit Dämmung für einschaligen Wandaufbau reichten meiner Meinung nach nicht für ein Passivhaus aus, weswegen wir uns für einen klassischen Wandaufbau aus Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS) in EPS (expandiertes Polystyrol) entschieden haben. Obwohl EPS recyclebar ist, ist es wegen der Verwendung des Flammschutzmittels Hexabromcyclododecan (HBCD) problematisch und galt zwischenzeitlich als Sondermüll. HBCD haltige Dämmstoffe dürfen seit Mitte 2017 wieder in Verbrennungsanlagen thermisch recycled werden. Heute gibt es EPS Dämmstoffe ohne HBCD, 2010 gab es die noch nicht.
Wir hätten auch gerne mineralisch gedämmt; das wäre für uns aber zu teurer geworden.
Die Decken sind in Beton ausgeführt. -
Fenster
Holz / Alu, dreifach verglast, PHI zertifiziert. Nord / Ost: wenige kleine Fenster. Süd / West: große Fensterflächen - kontrollierte Wohnraumlüftung KWL:
Zehnder ComfoAir 350, PHI zertifiziert, ohne Zuluftvorwärmung über Erdwärmetauscher. Solche Erdwärmetauscher werden eingesetzt um im Winter leicht vorgewärmte Luft zuzuführen und um im Sommer eine leichte Vorkühlung zu erreichen. Auch soll so das Einfrieren der Anlage bei strengem Frost vermieden werden.
Luft-Erdwärmetauscher sind mir aus hygienischen Gründen unsympatisch. Da kommt es zu Kondensatbildung und speziell bei Anlagen, die nicht im Keller montiert sind ist der Kondensatablauf wegen des fehlenden Gefälles problematisch.
Sole-Erdwärmetauscher haben das Problem nicht, sind aber aufwendiger und somit teurer. Wir haben auf beides verzichtet, die KWL wird direkt mit Außenluft betrieben. Im Winter sorgt ein Enthalpiewärmetauscher für ausreichende Rückführung von Luftfeuchtigkeit und Frostschutz.
Natürlich ist das Lüftungsgerät mit Schalldämpfern verbaut worden.
Die KWL besitzt eine automatische Bypass Funktion zum Umgehen des Wärmetauschers in Sommernächten. Da wir das Heizen nicht über die Luft der KWL erledigen, können wir die Luftwechselrate dem tatsächlichen Bedarf anpassen und sind nicht auf hohe Luftwechsel zur Erreichung der Heizlast angewiesen. Das hat Vorteile, da hohe Luftwechselraten im Winter gerne zu trockener Luft führen.
- Luftdichtheit
nachgewiesen mit Blower-Door Test; neben dem für Passivhausfenster luftdichten Wandanschluss brauchten keine weiteren Maßnahmen zur Erreichung der Dichtheit getroffen werden. Kalksandstein ist dicht. Der Zielwert n50 max. 0,6/h wurde so um 50% unterschritten.
- Heizung (Auswahl des Wärmespenders):
- Als Energielieferant kamen fossile Energieträger für uns nicht in Frage.
- Holz zu verbrennen ist auch doof. Soll der Kohlenstoff doch bleiben wo er ist, im Holz! Verbrennen setzt immer CO2 frei. Pellets brauchen Platz und machen (Fein-) Staub, abgelehnt.
- direkte Stromheizung ist ineffektiv, abgelehnt.
- kleines Blockheizkraftwerk (BHKW): habe ich mich nicht wirklich mit beschäftigt. Produziert im Winter zu viel Strom und im Sommer zu viel Wärme. Läuft auch nur mit Gas / Öl / Benzin… Ein BHKW könnte aber mittlerweile für einige Anwendungen gut funktionieren.
- Solarspeicher: die Idee ist hier einen riesigen isolierten Wasserspeicher über den Sommer mit einer Solaranlage aufzuheizen und daraus im Winter den Wärmebedarf des Hauses komplett zu decken. Es gibt einige Referenzobjekte, die zeigen, dass das Prinzip funktioniert. War uns zu exotisch und noch keine gängige Praxis. Auch wird hier das Haus um den Speicher drumherum geplant.
- Wärmepumpen: entziehen mit Hilfe eines elektrischen Kompressors der Umwelt Wärme und „pumpen“ diese auf ein nutzbares Wärmeniveau. Siehe Artikel Wikipedia
- Luft-Luft-Wärmepumpe: nutzt Umgebungs- oder Abluft zum Heizen und führt die Wärme über die Lüftungsanlage zu. In der Regel wird hierfür ein KWL Kombigerät genutzt.
- Luft-Wasser-Wärmepumpe: nutzt Umgebungsluft zum Heizen mit einem wasserführenden Heizsystem.
- (Grund)wasser-Wasser-Wärmepumpe: nutzt Temperatur von Grundwasser über Brunnen zum Heizen mit einem wasserführenden Heizsystem.
- Sole-Wasser-Wärmepumpe: nutzt die Temperatur der oberflächennahen Erde über Soleflüssigkeit aus Tiefenbohrungen oder Erdkollektoren zum Heizen mit einem wasserführenden Heizsystem.
Luft-XX Wärmepumpen Anlagen sind kostengünstiger als Wasser- oder Sole Wärmepumpen, haben aber wegen ihres schlechteren Wikungsgrads einen höheren Energieverbrauch. Auch sind Luft Wärmepumpen häufiger bivalent ausgelegt, d.h. es wird bei niedrigen Außentemperaturen mit einen elektischen Heizer bei Bedarf zu geheizt.
Da Energieeffizienz bei uns im Vordergrund stand, haben wir uns für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe entschieden. Grundwassernutzung schloss sich aus geologischen Gründen aus. Erdkollektoren in der Fläche zu verlegen war bei unserem Grundstück nicht sinnvoll; so ist es eine Erdsonde von 99m Tiefe geworden. Der errechnete Bedarf war geringer, aber wir haben die maximal zulässige Bohrtiefe voll ausgenutzt um mehr Reserven im System zu haben.
Natürlich braucht eine WP Strom und wenn der aus Kohlekraftwerken kommt, ist die CO2 Bilanz nicht so toll wie sie sein könnte. Es hängt dann von der Jahresarbeitszahl der WP ab, ob das System besser ist als z.B. eine Gastherme. Wir nutzen ausschließlich Strom aus regenerativer Produktion.
Anlagedetails:
- Wärmepumpe
Stiebel Eltron WPF 5e cool mit Kühlfunktion – ich habe mich gegen eine Direktverdampfer WP entschieden, da ich drei unabhängige zu wartende Systeme wollte (Solekreislauf / WP / Fußbodenkreislauf). Die Wärmepumpe hätte gerne auch etwas schwächer ausfallen dürfen; eine kleinere gab es 2010 allerdings nicht. Heute gibt es Pumpen auch unter 5kW Wärmeleistung.
Die WPF 5e wird durch einen Außen- und einen Innentemperaturfühler gesteuert. Die Heizkurve steht auf dem kleinstmöglichen Wert von 0,20. Die Heizung läuft ohne Nachtabsenkung durch und ist monovalent, d.h. es wird kein zusätzlicher elektrischer Heizstab benötigt. Dieser ist zwar vorhanden aber deaktiviert.
- Fußbodenheizung
Wir hatten eine Bauteilaktivierung (Verlegen der Heizschlangen direkt im Beton) vorgeschlagen, stießen aber auf starke Ablehnung beim Architektenteam. Darum ist es eine „normale“ Fußbodenheizung im Estrich geworden.
- kein Heizungspufferspeicher
Da war etwas Überzeugungsarbeit beim Heizungsbauer nötig. Auf den Puffer kann verzichtet werden, da das System wegen hoher Speichermassen sehr träge ist.
- keine Einzelraumregelung
Auf die Einzelraumregelung sollte ohne Pufferspeicher auch verzichtet werden um einen thermischen Kurzschluss zwischen Vor- und Rücklauf zu vermeiden. Das könnte vorkommen, wenn z.B. in der Übergangszeit nur die Heizkreise der Badezimmer offen sind. Dies würde ohne Pufferspeicher zu kurzen Taktzeiten der Wärmepumpe führen und deren Lebensdauer reduzieren. Eine Einzelraumregelung würde auf Grund der hohen Trägheit, der sehr geringen Vorlauftemperatur und der guten Gebäudedämmung auch nur schlecht funktionieren.
- nur thermischer Abgleich der Heizkreise
- Heizungsunterstützung durch Solarthermie
haben wir nicht. Wenn’s was bringen soll, müssen die Anlagen groß sein. Wohin mit der Wärme im Sommer? Soviel können wir nicht duschen und eine Swimming Pool haben wir auch nicht zu erwärmen. Macht nur Sinn, wenn ein sehr großer Heizungspufferspeicher vorhanden ist, den man an sonnigen Wintertagen richtig voll machen kann. An solchen Tagen ist der solare Ertrag über die Fenster groß genug um das Haus zu erwärmen. Die WP läuft dann eh nicht.
- Warmwasser
wird durch die WP bereitgestellt und in einem 500 l Tank vorgehalten. Eine Unterstützung durch Solarthermie ist vorbereitet, aber nicht umgesetzt worden. Die WP erwärmt das Wasser sehr günstig und Solarthermie rechnet sich hier nicht. - Verschattung
Alle Süd- und West-Fensterflächen können über Außenrollladen bzw. -raffstores verschattet werden. Eine wetter- und temperaturabhängige Steuerung war vorgesehen, wurde aber nach den ersten Erfahrungen nicht mehr realisiert. Eine manuelle Regelung bzw. nach Timer in den Abendstunden reicht uns völlig.
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